Nach meiner Erinnerung gehören Ehm Welks “Heiden von Kummerow” in eine Reihe mit Michel aus Lönneberga und den Kindern aus Bullerbü. Bücher, die ich als Kind gern gelesen habe, weil es darin so gemütlich war. Die Handlung schreitet zügig voran. Es ist abenteuerlich, ohne zu ängstigen. Die Charaktere sind gerade so komplex, dass ein Lesekind sie nett oder doof, lieb oder böse finden kann, und drumherum ist alles saftig grün. Das Lesekind ist nur deshalb traurig, weil es mit dem Ende der Geschichte auf einen Schlag all seine neu gewonnenen Freunde verliert. Das ist wie das Ende vom Ferienlager. Grad eingewöhnt, schon vorbei. Lass uns Adressen tauschen und sie nie benutzen! Es ist schön, so einen Zettel beim Aufräumen wiederzufinden. Mit dem selben Gefühl habe ich die Ehm-Welk-Bücher irgendwann in mein Regal gestellt, bei jedem Umzug gerne in die Hand genommen, aber nie mehr gelesen. Man möcht´ sich ja nicht unnütz desillusionieren.
Dann fing ich an, über die Uckermark zu schreiben. Plötzlich war Ehm Welk wieder da. Plötzlich interessiert mich, ob das in seinen Texten dieselbe Uckermark ist, die ich auch kenne. Wie viel Heimat, wie viel Folklore steckt darin? Weil ich das nicht mehr wusste, lese ich die “Heiden” jetzt doch wieder.
Öffentliches Lesen ist keine neue Idee, und niemand hat es besser gemacht als Jochen Schmidt, dem ich meine einzige Proust-Lektüre verdanke. Das spricht eher für als gegen Buchbloggen. Tja. Dann los!
Kapitel 1 heißt zwar das silberne Schiff, es kommt aber kein echtes Schiff drin vor, sondern bloß ein gemaltes. Ein heidnischer Brauch wird vorgestellt: Das Heiden-Döpen. Am letzten Schultag vor den Osterferien trifft sich die Kummerower Dorfjugend am Mühlbach. Die Jungen müssen rein und im kalten Wasser stehen bleiben, bis sie nicht mehr können. Wer bis zuletzt aushält, ist König und darf sich unter den Mädchen eine Königin wählen. Vom Pastor ist das erkältungsträchtige Heiden-Döpen verboten, bei den Kindern steht es gerade deshalb in höchster Gunst.
Martin Grambauer will gerne, soll aber keinesfalls wie die anderen Jungs im März in den Mühlbach waten, er wird von verschiedenen Personen und Ereignissen aufgehalten. Zunächst drohend vom Pastor Breithaupt. Sodann freundschaftlich vom Kantor Kannegießer, der ihn in ein langes Gespräch verwickelt. Leserin und Leser stehen vor Kannegießers Tür, hören genau zu und denken sich: Der Grambauer-Martin, das ist doch ein feines Kerlchen!
Das Plattdeutsche: Klookschieter, Heiden-Döpen, Joppe
Zeitgemäße Unterrichtsmethode: “dass dort, wo Worte versagen, eine Maulschelle oft Wunder tut.”
Die Landschaft: Das Bruch. Langes u! Das weiß auch nur, wer da wohnt.